Stil und die Stadt

Philipp Junker ist der beste und gefragteste Modestylist in der Schweiz. Stylisten kombinieren, drapieren und stellen Kleider für Modeproduktionen in Zeitschriften, für Werbekampagnen oder für Filme so zusammen, dass daraus erst wirklich Mode wird. Sie kreieren die Stile, die alle kopieren möchten, sie zeigen uns, was wirklich gut zusammenpasst und wie man ein tolles Stück gekonnt trägt. Sie prägen das Image von Firmen, von Stars, sie beeinflussen die Art, wie wir uns kleiden. Die Reise an die Spitze war für Philipp Junker kein Kurztrip, sie war vor allem mit intensiver Arbeit verbunden. «Das ist mein Fundament», erklärt der Modemann, der seine Karriere mit einer Lehre als Schneider begann und somit alles von der Pike auf gelernt hat. So kann er denn wie kein anderer Kleider stecken und drapieren, sie neu erfinden und begehrenswert machen. Er arbeitet mittlerweile mit den ganz Grossen der Schweizer Modeszene, wird regelmässig gebucht von Stars wie dem Fotografen und Künstler Walter Pfeiffer oder dem Creative Director Beda Achermann. Man holt Junker, wenn ein Topmodel gerade mal kurz in Zürich weilt oder es um eine grosse Kampagne geht. Er reist für bedeutende Schweizer Modeunternehmen wie Grieder oder Globus um die halbe Welt und macht Editorials für «Annabelle» oder das «Z-Magazin». Dabei strahlt seine sanfte, ruhige und kreative Persönlichkeit aus, die man auch in seiner Wohnung, seinem harmonischen, lichten Refugium sehr stark spürt.

Text: Marianne Kohler Nizamuddin   Fotos: Rita Palanikumar

Als ich mich mit Philipp Junker im Terrasse in Zürich zum Interview treffe, trägt er denselben Pullover, der bei unserem Besuch in seiner hellen, freundlichen Stadtwohnung im Zürcher Kreis 4 als Lieblingsstück im Schlafzimmer über einem Stuhl liegt. Wir plaudern zuerst über seinen Lieblingsdesigner Dries van Noten, über das Talent von Raf Simons und die Rückkehr von Galliano, und wir finden von da wieder zurück in sein Zuhause und zu seinem Berufsalltag als Modestylist. Das Gespräch verläuft ähnlich wie sein Leben, denn der Stylist, der für grosse Modeproduktionen viel auf Reisen ist, kehrt immer wieder aufs Neue nach Hause. Er geniesst es, in seiner charmanten, persönlichen Altbauwohnung vor allem einfach daheim zu sein.

Die Zürcher Altbauwohnung befindet sich in einer idyllischen, an Paris anmutenden Strasse, in der Nähe des Helvetiaplatzes. Sie strahlt Ruhe und eine ganz selbstverständliche Art von Eleganz aus. Bei unserem spätherbstlichen Besuch schien die Sonne sanft durch die Fenster, die Balkontüre stand offen und man sah den Nachbarn gegenüber in die Wohnung. «Es ist schön hier, freundlich, wir haben einen guten Kontakt in der Nachbarschaft, man kennt und grüsst sich und sitzt auch mal zum Kaffee zusammen», schwärmt Philipp. Der Hauptraum der Wohnung ist ein grosses Wohnzimmer mit einem kleinen Stadtbalkon und einem gemütlichen, alten Ofen. «Hier waren mal zwei Zimmer», erklärt der Hausherr, «doch zum Glück hat der Besitzer die Wand herausnehmen lassen und sorgte damit für mehr Luftigkeit und Grosszügigkeit.»  Diese Wirkung unterstützt Philipp Junker mit formschönen Möbeln, hellen, beruhigenden Wohnfarben und einem studioartigen Einrichtungsstil.

Die Wände des Wohnzimmers sind in einem hellen Grauton gestrichen. Dazu kombiniert er Holz, Haselnuss- und Milchkaffeetöne. Die formschöne Tischleuchte, die er zusammen mit einer Stehleuchte einfach auf dem Boden stehen hat, fand er einmal in einem Secondhandladen. Und weil ihn danach alle fragten, ob sie denn von der Schweizer Keramikfirma Linck sei, was sie nicht ist, entdeckte er die weissen skulpturalen Linck-Vasen und hat nun einige davon auf dem Tisch stehen. Wichtig sind auch die Fotos. Das grosse Bild im Wohnzimmer ist, wie auch das Bild neben den Magnolien, von Sarah Maurer, einer Fotografin, mit der ihn eine enge Freundschaft verbindet. Mit Sarah Maurer gründetet er denn auch das Schmucklabel Studio Mason. Sarah begann sich privat mit Schmuck auseinanderzusetzen und stellte interessante Einzelstücke her. Philipp setzte sie als Styling ein, mit Erfolg, denn viele erkundigten sich nach den schlichten, unprätentiösen Schmuckstücken. So entstand Studio Mason. Zusammen entwerfen Philipp und Sarah die Kollektion, die Sarah zuerst als Prototyp umsetzt, bevor sie von Silberschmieden in Georgien von Hand produziert wird.

«Ich bin sehr gerne zu Hause und mache hier einfach irgendwas. Gerade hat mir mein Freund das Buch zur Pariser Ausstellung von Dries van Noten geschenkt. Und da nur ich die Ausstellung gesehen habe und er nicht, werden wir heute Abend das Buch zusammen anschauen.» Philipp zeigt mir stolz eine Handyaufnahme von der Ausstellung in Paris: «Ich sammle Dries van Noten – das heisst, ich kaufe mir jeweils einen Look pro Saison oder Jahr, und einige davon sind nun tatsächlich ausgestellt im Museum Les Arts Décoratifs.»

Auf einem Regal entdecken wir eine kleine Sammlung Filme. Philipp liebt seine Trashvideos und ist ganz begeistert, dass wir davon auch ein Foto gemacht haben. «Am meisten liebe ich ‹Sex and the City›. Diese Serie verleiht mir ein gemütliches Zuhausegefühl, besonders wenn ich, wie so oft, abends alleine irgendwo auf der Welt in einem Hotelzimmer bin. Dann schaue ich mir gerne eine oder zwei Lieblingsepisoden an und bekomme gute Laune dabei.»

Das Schlafzimmer ist in einer zarten Make-up-Farbe gestrichen, die er zusammen mit der befreundeten Interiorstylistin Aleli Leal gemischt hat. Der Puderton lässt das Weiss der Möbel und des Holzwerks frisch strahlen und vermittelt viel sanfte Leichtigkeit. «Diese Vasenlampe ist nun tatsächlich von Linck», erklärt Philipp, der dank der zufällig gefundenen Tischleuchte im Wohnzimmer auf die Schweizer Keramikfirma gestossen ist.  Weiss zeigt sich auch das Bett, daneben steht auf der einen Seite ein gemütlicher kleiner Ofen mit Rohr, auf der anderen ein formstarkes Nachttischchen.

Viele Bilder sind aus Philipps Berufsleben und haben besondere Bedeutungen, da ist zum Beispiel eine Porträtzeichnung von Philipp, die Walter Pfeiffer von ihm angefertigt hat, während einer Pause an einem gemeinsamen Shooting. Ein Foto im Schlafzimmer entstand, wie das Bild im Wohnzimmer neben den Magnolien, aus einer Arbeit, die Philipp Junker mit Sarah Maurer 2009 in Paris gemacht hat. Die beiden haben unter dem Titel «Come as you are» Porträts von Nachwuchs-Models gemacht und diese an einer Vernissage während der Europride 2009 in Zürich zugunsten der Schweizer Aidshilfe verkauft.

Und dann ist da dieser Stuhl auf dem wir ein paar Lieblingssachen von Philipp Junker inszeniert: Vom Kuschelpulli über ein Buch von Modefotogaf Guy Bourdin bis zu feinen Düften, einer vergoldeten Brille von Retrospex, einer Schale von Hermès und natürlich einigen Schmuckstücken des neuen eigenen Labels Studio Mason.

Eines der Zimmer der Dreizimmerwohnung benutzt Philipp als Arbeitsraum und Stylingfundus. Hinter dem übervollen Kleiderständer guckt Kim Wilde hervor, ein Bild des Schweizer Fotografen Hannes Schmid, das der Stylist als Dank für ein Shooting bekommen hat. Auf einem schlichten, aber praktischen Regal aus hellem Sperrholz befindet sich so ziemlich alles, was ein Stylist zur Arbeit braucht. Es finden sich aber auch einige Erinnerungsstücke, wie zum Beispiel die Oscar-Statue, die ihm das Team von Manor einst nach einem besonders harten und schwierigen Shooting als Auszeichnung mitgegeben hat. «Ein schöner Aspekt an meinem Beruf ist, dass man mit vielen Menschen zu einer Art Familie zusammenwächst. Auf Shootings verbringt man intensiv Zeit mit einem Team, man reist zusammen und meistert oft schwierige Situationen gemeinsam. Man sieht sich zum Frühstück, fliegt stundenlang, wartet bei Regen frierend das schöne Wetter ab oder hat auch mal zusammen Heimweh.» Auf die Frage, ob denn sein Erfolg seine Arbeit verändert habe, antwortet Philipp Junker: «Das Beste am Erfolg ist die Tatsache, dass ich nun die Möglichkeit habe, mit den talentiertesten Artists zu arbeiten, deren Arbeit ich früher nur aus der Ferne bewunderte. Ich lerne von ihnen an jedem Job viel in Sachen Kreativität und Professionalität, das ist sehr inspirierend und erfrischend. Zudem sind die Besten im Business meistens auch die entspanntesten und liebevollsten Menschen. Arroganz und Überheblichkeit, Eigenschaften, die man oft mit der Modewelt verbindet, erlebt man eigentlich nur dort, wo Mittelmass und Unsicherheit hinter Attitüde versteckt wird.» Da bleibt Philipp Junker lieber auf dem Boden. Er liebt das Handwerkliche, das Können und die Qualität im Modebereich. Für gute Resultate bereitet er sich intensiv mit Moodboards vor, liest über gewisse Themen ausführlich nach und sammelt Ideen und Inspirationen, die ihm dann auf der Suche nach Stylingideen und den Umsetzungen von Geschichten eine solide Basis bieten.

Resultate von eigenen Werken, andere tolle Bilder, Fotos und Inspiration findet Philipp Junker oft in Zeitschriften. Auf die Frage, wie er denn die momentan so heiss diskutierte Zukunft der Printprodukte sieht, antwortet der Modestylist: «Die Zeitung liest man bestimmt bald nur noch online, schöne Bilder und Inspirationen aber will man immer auch gedruckt sehen. So bleiben denn gute Zeitschriften und Bücher, es werden vielleicht weniger sein, aber solche, die man sammelt und immer wieder gerne anschaut. Es sind sinnliche Produkte, die man in die Hand nehmen kann, und ich finde, dass Gedrucktes auch gut riecht. Für Zusatzinformationen, bewegte Bilder, Shoppinglinks oder auf Reisen sind dann die digitalen Ausgaben perfekt.»