Das Vierjahreszeitenhaus

Es gibt Häuser, in die man sich sofort verliebt – weil sie nicht nur schön, sondern auch wohltuend anders sind. Die Familie Frei Friedrich wohnt in einem solchen Haus. Diskret steht es zwischen grossen Bäumen, die Innenräume sind lichtdurchflutet und bieten eine grossartige Aussicht auf die umliegende Natur. Das Haus wurde in den späten 60er-Jahren gebaut und von der Architektin Gabriele Frei Friedrich mit viel Respekt und Detailliebe so umgebaut und eingerichtet, dass es in die heutige Zeit passt und persönlichen Lebens- und Arbeitsraum für die Familie bietet.

Text: Marianne Kohler Nizamuddin  Fotos: Rita Palanikumar

Nester sind auch eine Art Häuser. So haben wir die Familie an diesem sonnigen Sonntag vor drei Wochen auch gleich im nestartigen, grossen Loungesessel, der im Garten steht, porträtiert. Es war einer dieser fantastischen Herbsttage, an denen sich die Natur in warmen, goldenen Tönen zeigt; Farben, die dem Haus besonders gut stehen. «Das Wunderbare an diesem Pavillonhaus ist aber, dass es in allen Jahreszeiten schön ist, hier zu leben, weil es einen starken Bezug zur Natur bietet. Das Draussen bestimmt den Innenbereich mit und macht somit Wohnen täglich zum neuen Erlebnis», schwärmt die Familie. Das Thema Wohnen bestimmt auch den beruflichen Alltag von Gabriele Frei und Carlos Friedrich: Gabriele ist Architektin, und Carlos ist als Marketingchef im Einrichtungshaus Pfister tätig. Die ältere Tochter Lucia hat gerade den gestalterischen Vorkurs der Berufsschule für Gestaltung (Medien, Form, Farbe) in Zürich begonnen und plant einen Berufsweg in Richtung Grafik und Fotografie, Aylin geht noch zur Schule, und die Katzen Minka und Chilli sind am liebsten da, wo der Rest der Familie ist.

Für die beiden Wohnprofis Gabriele Frei und Carlos Friedrich dauerte die Suche nach einem geeigneten Haus für die Familie lang, aber sie hat sich gelohnt. Das Pavillonhaus, ursprünglich vom Schweizer Architekten Pierre Zoelly 1969 als Prototyp für ein Systemhaus gebaut, stellte der Architektin genau die Herausforderung, die sie besonders liebt, nämlich die Möglichkeit für ein spannendes Renovations- und Anbauprojekt. So konnten sie und ihr Mann das Haus nicht zuletzt deswegen erwerben, weil sie ein respektvolles Konzept für den Erhalt und die Erweiterung der Architektur vorlegten. Das Haus besteht aus verschiedenen modularen Pavillonkomplexen, die jeweils für die unterschiedlichen Wohnbereiche Raum bieten. Dadurch und mit der gelungenen Kombination von Strenge und Sinnlichkeit mutet es japanisch an und bietet trotz der Offenheit auch viel Geborgenheit und Platz für Persönliches. Gabriele Frei hat die ursprüngliche Wohnfläche mit diskreten Erweiterungen und einem Anbau fast verdoppelt. Auch hat sie Räume geöffnet und somit vergrössert, der Korridor wurde zur Hauptachse mit neuen, an ihn angegliederten Bädern. Eine zweite Etage entstand mit einem sich diskret verbergenden Anbau, dort befindet sich das Atelier der Architektin, die dadurch ihren Doppeljob als Mutter und Berufsfrau einfacher wahrnehmen kann.

Die neue Leichtigkeit der vergrösserten Räume wird unterstützt mit einer spielerischen, auf interessanten Einzelstücken basierenden Einrichtung. Helle Töne, viel Weiss und die Lieblingsfarbe Lila als immer wiederkehrender Akzent lassen die Architektur atmen und stehlen den fantastischen Aussichten nicht die Show. Bei der Einrichtung wurde viel Wert auf Individualität gelegt, ein Einrichtungsprinzip, das Carlos Friedrich auch bei seinem Job zum Leitmotiv hat. Damit und mit vielen neuen Ideen entstaubte er tüchtig das Image des Traditionshauses Pfister: So führte er beispielsweise Kataloge ein, in denen man Einrichtungstipps erhält wie in Wohnmagazinen, und initiierte eine inspirierende Website. Auf dem Foto oben besonders schön zu sehen: das Cheminée, eine der vielen Backsteinwände und ein mit quadratischen Rahmen versehenes Fenster, übrigens ein Element, das im ganzen Haus immer wieder anzutreffen ist.

Im Zentrum der Architektur steht ein modulares Pyramidendachsystem. Die Pyramiden waren inwendig ursprünglich türkis gestrichen. Gabriele Frei hat sie selbst mit Silberpapier verkleidet, in liebevoller, langwieriger Handarbeit. Die Fensterfronten wurden mit praktischen Schiebetüren versehen, damit das Haus bei warmem Wetter einfach geöffnet werden kann. Die Schränke sind ein tragender Bestandteil der ursprünglichen Architektur, ein cleveres Prinzip, das Staufläche bietet und Fenster anstelle von Wänden ermöglicht. Das Paar, das sich intensiv mit Wohntrends beschäftigt, liebt Leichtigkeit und bevorzugt ein Einrichtungsprinzip, das Veränderung zulässt. So liegen hier zwei Vintageteppiche von Pfister patchworkartig übereinander, und neue und alte Designersessel gruppieren sich um das Sofa. Darauf sind, wiederum patchworkartig, unterschiedliche Kissen in Pastelltönen platziert. Anstelle eines grossen, schweren Couchtisches stehen hier ein zum Sofa passender Hocker und leichte, formschöne Beistelltischchen in Kupfer. «Man kann so alles auch mal verstellen, ergänzen oder neu kombinieren», sagt Carlos Friedrich.

Die weissen Sessel vom Moroso, erhältlich bei Mobitare, lassen sich drehen. So kann man gemütlich zusammensitzen, sich aber auch der fantastischen Aussicht zuwenden. Das Haus hat eine einmalige Lage an der Hangkante eines Tobels, das eine unverbaubare Naturschutzzone darstellt. Da liegen ganz idyllisch eine Weide mit Schafen und ein kleiner Laubwald mit Weiher. Während des Fotoshootings rennen wir immer wieder ans Fenster und beobachten staunend grosse und kleine Wasservögel.

Wo sich einst kleine Zimmer drängten, ist ein offener, heller, grosser Raum entstanden mit Platz für Wohnen, Essen und Kochen. Hier befindet sich auch die Grenze von ursprünglichem Haus und neuem Anbau, verbunden durch einen Glasgang. Die Glasschiebetüre ist die alte, modifizierte Eingangstüre. Sie zeigt die gleichen quadratischen Rahmen, die auch an anderen Orten im Haus eingesetzt sind, bloss sind sie hier auf einer Seite hellgrau lackiert. Das Geld für die Corbusier-Liege, die hier im Wohnraum erkennbar ist, hat sich Gabriele Frei übrigens abgespart mit ihrem ersten Job als Angestellte in einem Architekturbüro. «Ich liebte schon immer schöne starke Einzelstücke, die einen das ganze Leben hindurch begleiten können», so die Architektin.

Die offene Küche hat die Architektin selbst entworfen und mit zwei Elementen konzipiert. Das Abgrenzende beinhaltet die Nasszelle mit Schüttstein, Abwaschmaschine und Arbeitsfläche. Dieses ist mit einem hohen Element, das den Kühlschrank enthält, abgegrenzt zum weiterführenden Korridor. Gegenüber wird gekocht – und das mit Aussicht auf den hinter dem Haus liegenden Garten.

Der Durchgang hinter der Küche führt einerseits wieder in den Garten und andererseits in den privaten Bereich der Familie, in welchem sich die Schlafzimmer und die Bäder befinden. Für diese Wand wurde eine graublaue Farbe gewählt, die zugleich auch eine Art Zauberhimmel verkörpert. Köpfe von allerlei interessierten, folkloristischen Holztieren gucken hier in die Räume und schauen dem Familienleben wie aus einer anderen Welt zu. Sie stammen aus Argentinien. Dort hat Carlos Friedrich einen Teil seiner Wurzeln. Die fröhlich-neugierigen Tiere sind also auch Symbole, die ein wenig alte Heimat in die neue bringen.

Das Atrium im Badezimmer wurde um einen wunderschönen, alten Baum herum gebaut. Leider hat ein orkanartiger Sturm diesen Baum im vergangenen Sommer stark beschädigt. Zum Bedauern der ganzen Familie musste er wegen dieses Sturmschadens gefällt werden. Nun stehen im Atrium zwei japanische Ahornbäume, deren Schatten ganz zauberhaft auf der Badezimmerwand tanzen.

Die Farbe Lila zeigt sich im Mädchenbadezimmer von einer besonders schönen Seite. Und für alle, die sich fragen, weshalb es in diesem Teenagerbad so ordentlich ist – die wunderschöne Wand verbirgt ein bisschen etwas, damit das auch klappt mit dem glamourösen Fotomoment!

Die Zimmer der beiden Töchter sind schön, hell und praktisch eingerichtet und haben beide ein grosses Fenster mit Zugang zum Garten. Instagram, Tumblr und absolut tolle Moodboards sind die Leidenschaften von Lucia und Aylin. So sind denn die Wände beider Zimmer über und über mit Fotos, Bildern und Inspirationen beklebt.

In allen Schlafzimmern hat Gabriele die ursprüngliche Farbe Türkis an den Innenseiten der Pyramidendächer belassen.

Ein Glasgang verbindet die beiden Gebäudeteile. Gabriele Freis Inspiration dafür war der Glasgang des Museums Louisiana in Humlebaek, Dänemark: «Wir haben es vor mehreren Jahren einmal besucht, und es ist das allerschönste Museum, das ich je gesehen habe. Es liegt an toller Lage am Meer und bietet Einsichten und Aussichten. An dieses Museum habe ich gedacht, als ich diesen Glasgang konzipierte. Das Bücherregal bietet ein wenig Sichtschutz vor den Nachbarn.» In diesem Gang steht auch ein wunderschönes Regal, das Rita und ich am liebsten gleich mit nach Hause genommen hätten. Das Regal hat ebenfalls Gabriele Frei entworfen, auf Mass natürlich, damit es genau in diese Nische passt.

Das Atelier ist ausgestattet mit einem grossen, weissen Arbeitstisch und weiblich wirkenden, weissen Bürostühlen. Als wir zu Besuch waren, malte hier gerade Lucia ihre Hausaufgaben. Der Raum wurde mit einem Regal abgetrennt, dahinter befinden sich Drucker, Apparate und Bürosachen. Die schichtlasierte silberne Wandfarbe unterstützt diese Abgrenzung und verleiht dem Raum eine gewisse Tiefe. Ein solches Büro kann nur zu guten Ideen beflügeln, finden wir – und es ist das Büro einer Frau, die sich nicht nur mit Architektur, sondern auch mit Wohnen und der Schönheit der Dinge auseinandersetzt.

Die mit Spanplatten verkleidete Wand, an der die Treppe ins Atelier hochführt, hat Gabriele silbern gestrichen: Zuweilen spiegelt sich hie das Licht ganz zauberhaft. Auf dem Fenstersims, der lila gestrichen ist, steht ein Modell, das Gabriele für einen Messestand für die Gartenausstellung Giardina angefertigt hat. Und auf dem Bücherregal entdecken wir unter anderem auch das Modell des Pavillonhauses mit dem neuen Anbau.