Die Welt zu Hause

Camilla und Michael Fischbachers Haus ist ein kleines Stück Kalifornien mitten in der Schweiz. Das Ehepaar hat dem Haus von Michaels Grossvater seine ursprüngliche Seele überlassen und es mit ihrer Weltoffenheit angereichert.

Text: Marianne Kohler Nizamuddin  Fotos: Rita Palanikumar

Seit 2008 führen Michael Fischbacher als CEO und seine Frau Camilla Fischbacher als Creativedirector das renommierte Schweizer Textilunternehmen Christian Fischbacher. Die Fischbacher-Textilien – sinnliche, innovative Einrichtungsstoffe und edle, modische Bettwäsche – sind weltberühmt. Als ich das Paar an einer Pressekonferenz kennen lernte, habe ich mich gleich in sie und die Art, wie sie ihre Stoffe präsentierten, verliebt. Sie waren anders: frisch, offen, begeisterungsfähig, charmant und selbstverständlich. Seltene Attribute in der globalen, meist gesichtslosen Geschäftswelt. Ihre Stoffe haben sie in einem unkomplizierten und stimmungsvollen Umfeld inszeniert und so persönlich vorgestellt, als wären sie nicht einfach nur Produkte, sondern Familienmitglieder. Was sie auch irgendwie sind. Denn Stoffe von Christian Fischbacher gibt es seit etwa 200 Jahren.

Christian Fischbacher hat 1803 im Alter von 16 Jahren die Firma gegründet. Er begann mit dem Verkauf von handgewebten Stoffen, welche die Bauern in ihrer Freizeit webten. Er sammelte sie ein und pries sie auf dem Markt in St. Gallen an. Daraus entwickelte sich ein Textilunternehmen, das international eine bedeutende Marke für exklusive Stoffe und Bettwäsche geworden ist. Michael und Camilla Fischbacher sind die sechste Generation, die das Familienunternehmen führt. Wie die fantastischen Stoffe ist auch das Haus, in dem die beiden mit ihren drei Kindern leben, ein Stück Welt- und Familiengeschichte. Das Haus wurde 1959 gebaut. Michael Fischbachers Grossvater kehrte damals von Kalifornien zurück in die Schweiz. Die Architektur ist daher stark von dem Midcentury-Baustil inspiriert, der sich besonders an der Westküste der USA durchsetzte. Typisch daran sind die Offenheit, die grosszügige Verbindung von innen nach aussen, die edlen Baumaterialien und das dominante Einsetzen von Holz. Auch der Einfluss der japanischen Architektur ist spürbar.

Grosse Häuser haben oft etwas Distanziertes, nicht so die Fischbacher-Villa. Hier fühlt man sich sofort wohl und willkommen. Das viel beschäftigte Paar hat sich uns so herzlich und entspannt gewidmet, als wäre da kein strenger Terminplan oder Balanceakt zwischen der Tätigkeit in der Unternehmensleitung und dem Leben zu Hause mit drei Kindern im Schulalter. Und so offen und entspannt wie die Hausherren ist die Einrichtung und Atmosphäre des ganzen Anwesens, auf dem auch einige Tiere wohnen. Viele der Möbel sind noch vom Grossvater und passen gut ins Haus. Sie sorgen dafür, dass die Seele des Hauses erhalten bleibt. Diese ist tolerant und lässt Neues zu. Als Erstes hat Camilla das Haus mit herrlichen Perserteppichen aus ihrer iranischen Heimat ausgelegt. Denn Camillas Familie kommt ursprünglich aus dem Iran. Während Sommerferien bei ihrem Onkel in Basel brach im Iran die Revolution aus und ihr Vater kam auf die Liste der politischen Gegner. Daraufhin blieb die Familie zuerst in der Schweiz und lebte danach in den USA. Die Perserteppiche sind überall im Haus. Sie halten Möbelgruppen als Wohninseln zusammen und bringen Farbe und Sinnlichkeit. Sie schaffen viel Wohnlichkeit, verbinden Alt und Neu und Ursprüngliches mit Mitgebrachtem aus der ganzen Welt.

Wohnen und Zuhausesein bedeuten für die Fischbachers auch eine Reise in die Familiengeschichte, in die der Dynastie Fischbacher und in die eines viel gereisten Paares. Kennengelernt haben sich die beiden in Oxford, wo Michael Sinologie studierte und Camilla ihren Master in Philosophie machte. Nach ihrer Heirat lebten sie in Malaysia, Hongkong, Japan und Los Angeles. Von überall nahmen sie einige Stücke mit. So ist die Einrichtung gewachsen, eklektisch und persönlich. Die Architektur bietet zwar viele Fensterfronten, doch so geschickt, dass trotzdem Vorhänge angebracht werden können. Camilla beweist mit ihrer Einrichtung zudem, dass Glasfronten durchaus eine Art Wand sind, an die man Möbel platzieren kann. Dafür wählte Camilla Stücke, die eine gewisse Transparenz zeigen, und zieht damit die Leichtigkeit der Architektur weiter. Da sind etwa die chinesischen Konsolenmöbel, die als Paar kombiniert wurden. Darauf zeigen sich Vasen, Schalen, kleine edle Kürbisobjekte und Pflanzen, die wie zufällig die Verbindung zur farbigen Natur draussen schaffen. Zu den mit Ornamenten versehenen asiatischen Möbeln gesellen sich stattliche, grüne Zimmerpflanzen, die in die Höhe wachsen und das Auge zum hohen Raum führen, der mit einem grossen Esstisch versehen ist und das Zentrum des Hauses ausmacht.

Vom grossen Hauptraum des Hauses führt ein Durchgang in die privaten Räume. Hier stehen interessante Einzelstücke wie eine Art Ehrengarde. An den Wänden hängen viele Bilder und Fotos. Davon sind einige von Camilla, die auch Kunst und klassische Geschichte studiert hat und mit viel Leidenschaft fotografiert. Auf der anderen Seite des grossen Hauptraumes tritt man in ein gemütliches Wohnzimmer. Die dänischen, mit Leder bezogenen Sitzmöbelklassiker des Grossvaters laden zum Verweilen ein. Darauf sind als Stil-, Farb- und Wohnlichmacher Kissen platziert, die mit den schönsten neuen Fischbacherstoffen in orientalischen Rottönen bezogen sind. In diesem Wohnzimmer kommt alles zusammen, was echtes Wohnen ausmacht. Die behaglichen Sitzmöbel, die zueinander und ums grosse Cheminée gestellt sind, haben alle Ablagetische und Leuchten. Das macht gemeinsames Zusammensitzen möglich, aber auch Rückzug und Lesestunden. Das Cheminée ist eingefasst von einer Reliefarbeit in Bronze des Schweizer Künstlers Max Oertli. Für viel Gemütlichkeit sorgen in diesem Wohnzimmer auch die vollen Bücherregale, die in typischer Midcentury-Manier eingebaut wurden. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Architektur und tragen viel zur Atmosphäre im Raum bei, obwohl sie ursprünglich gar nicht geplant waren. Denn Grossvater Fischbacher wollte die fantastische Sicht auf den Bodensee frei haben. Doch es fehlte schlicht an Wohnlichkeit und dem Gefühl von Geborgenheit. So entschied er sich für diese schönen Regale.

Über 30 Jahre alt sind die Rohseidenvorhänge an den Fenstern. Sie sind vom ersten und wichtigsten Seidenfabrikanten der Firma und waren einer der ersten grossen Fischbacher-Erfolge im Heimtextilienbereich. Rita und ich fanden sie ganz einfach perfekt. Wir waren begeistert von der Qualität und Schönheit der Vorhänge, die bereits ein so langes Leben hinter sich haben. Der dramatisch schöne Blick auf den Bodensee bleibt dennoch erhalten. Bei den Fischbachers lernt man, dass Wohnlichkeit, grosszügige Fensterfronten, Aussicht und Vorhänge ein harmonisches Zusammenleben haben können. Etwas, das heute leider vielfach fehlt in den neuen Schweizer Wohnräumen. Michael Fischbacher erklärt dies so: «Heute bestimmen meistens die Architekten auch den Innenausbau, da gehen leider oft die Vorhangschienen vergessen.» Dabei ist es genau das Textile, das einer strengen Architektur den nötigen Gegensatz bietet. Der Fachmann meint dazu: «Die Schweizer entdecken langsam wieder die Wohnlichkeit und damit auch die Liebe zu Stoffen und Farbe.»

Wie Michael Fischbacher hat auch sein Grossvater die Welt bereist. Das mit Leidenschaft. Wundervolle und wertvolle Zeitzeugen sind die Alben, in die er mit Liebe alle selbst geschossenen, kleinen Schwarzweiss-Aufnahmen klebte. Sie sind aus einer Zeit, in der die Länder noch Siam, Ceylon oder eben Persien hiessen. Auf dem Regal verfliessen die Welt, die Zeit und der Wandel zu einem neuen Ganzen und zeigen einiges, was diese ausserordentliche Familie und ihr Leben ausmacht. Die antike persische Töpferware hat der Grossvater gesammelt, die Fotoalben sind Zeugen seiner Reisen, die Fotos an der Wand Werke von Camilla Fischbacher. Die Statue, an der buddhistischer Blumenschmuck baumelt, ist Khmer. Die japanische Kalligrafie sagt: «Mit Glücklichkeit und Güte im Herzen gibt es keine Müdigkeit».

Auch das Schlafzimmer ist ein Wohnzimmer. Neben dem Bett stehen zwei kleine elegante Sofas mit Kuschelkissen und Plaids. Eine Serie von Beistelltischen aus Glas und Holz wurde dazugestellt, die mit grossen Bücherstapeln, Familienfotos und andern persönlichen Dingen beladen sind. Die Vorhänge im Schlafbereich sind bodenlang und aus mitternachtsblauer Seide. Zentrum des «Masterbedrooms» ist ein grosses Stoffbett, das selbstverständlich mit feinster Christian Fischbacher Bettwäsche bezogen ist, und zwar mit solcher aus der CF-Kollektion, einer neuen, jüngeren, urbanen Linie. Auch hier sind wieder wunderschöne Orientteppiche auf dem Boden, dessen Farbigkeit in den Stoffen der Vorhänge und Kissen sanft aufgenommen wurde. Neben dem Schlafzimmer befindet sich ein Ankleidezimmer, das wie ein kleiner Salon eigerichtet ist. Raffiniert: Die grossen bodenlangen Vorhänge sind hier in einem anderen Muster gewählt, was die beiden Räume auf sanfte Art optisch trennt. Ein kokettes Stück ist der schlichte aufklappbare Spiegel, in dem sich eine gegenüberliegende Kommode spiegelt. Sie zeigt, dass entspannte und persönliche Wohnlichkeit in keinem Raum des Hauses fehlt.

Die Villa steht auf einem grossen, parkähnlichen Anwesen. Die Aussicht aus jedem Fenster ist Natur pur. Auch auf den Fenstersimsen im Schlafzimmer sind Bücher und Familienfotos. Dinge die zeigen, dass der Alltag gelebt wird und wohnen überall stattfindet. Eine starke Verbindung zum Garten hat man im zweiten Wohnzimmer, das eine Weiterführung auf der anderen Seite des grossen zentralen Hauptraumes im Erdgeschoss ist. Es führt hinaus in eine überdachte Aussenterrasse, die auch mit einem grossen Cheminée versehen ist. Textilien bestimmen auch den Aussenbereich. Die überdachte Terrasse kann bei Bedarf mit grossen, dunkelgrauen Vorhängen geschlossen werden. Von aussen wirkt der Raum, durch die Vorhänge, ein wenig wie ein Theater, in dem gerade Aki auf seinen grossen Fussballauftritt wartet. Auch erkennbar sind hier die Kinderzimmer, die sich in der oberen Etage mit anderen privaten Räumen befinden. Das grosse Haus, umgeben von einem weitläufigen Anwesen, ist ein kleines Stück Kalifornien mitten in der Schweiz. Die Architektur ist im modernistischen amerikanischen Stil, diskret angepasst auf die hiesigen Verhältnisse. Beim Fotografieren verscheuchten wir die beiden Katzen der Familie, die es sich auf den Sofas gemütlich gemacht haben. Im Haushalt leben momentan zwei Katzen, Sayeh und Kuro, und der Appenzellerhund Aki. Sie entfliehen in den Garten zum Spielen. Wir spazieren dem Haus entlang durch den parkähnlichen Garten, begleitet von den freundlichen Haustieren. Aus dieser Perspektive wird der japanische Einfluss der Architektur schön sichtbar.

Im Garten entdecken wir Statuen aus Asien und Kürbisse, die eben gerade gereift sind. Beides mutet ein wenig verwunschen an. Besonders im Zusammenspiel mit den alten Mauern, den hohen Bäumen und dem üppigen Strauchwerk. Das Ende unseres spannenden Besuches bei Camilla und Michael Fischbacher naht. Wir spazieren, gemütlich plaudernd, zurück zum Haus, und Michael spielt mit Aki noch Fussball. Das Spiel endete zu Akis Verwunderung im Swimmingpool, aber der fröhliche Appenzellerhund ist überzeugt, dass mit ein wenig Geduld der Ball wieder zurückkommt!