Ein Haus voller Geschichten
Es gibt sie, diese Häuser, bei denen man im Vorbeigehen anfängt, Geschichten zu spinnen, mit der Vorstellung spielt, wie es drinnen wohl aussieht. Dabei denkt man an diese besonders fesselnden Romane, die man irgendwann gelesen hat und deren Stimmung man seither, wie ein gemütlich knisterndes Kaminfeuer, als eine Art Richtlinie für perfekte Wohnlichkeit und das Gefühl von Zuhause in sich drin hat. Ein solches Haus besitzt Beat Roemmel, und er hat es mit viel Gefühl und Respekt so renoviert und eingerichtet, dass daraus ganz einfach ein Traumhaus geworden ist. Geniessen Sie diesen Hausbesuch wie einen kleinen Wohnroman, der in eine ganz persönliche Welt führt.
Text: Marianne Kohler Nizamuddin Fotos: Rita Palanikumar
Beat Roemmel war schon immer im Einrichtungsbereich zu Hause. Er hat Dekorationsgestalter gelernt, verschiedene Einrichtungsgeschäfte geführt und geprägt, macht Heimberatung und richtet für Kunden Wohnungen und Häuser ein. Vor zwei Jahren hat er sich entschlossen, einen eigenen kleinen Laden namens Beat Roemmel Home & Style zu eröffnen, mitten in der Altstadt von Solothurn, einer der schönsten Städte der Schweiz. Dort verkauft er auf kleinem, aber gemütlichem Raum erlesene Schätze für das Zuhause, man kann bei ihm natürlich auch Möbel bestellen, Farben, Tapeten und Stoffe aussuchen und sich vor allem in Sachen Einrichten und Wohnen beraten lassen.
Schon vor Jahren, als ich ihn als junge Stylistin auf meinen Such- und Sammeltouren für grosse Magazin-Shootings kennen gelernt habe, nahm er sich immer Zeit für einen Kaffee und ein gemütliches, interessantes Gespräch. Dabei holte er jeweils Neuentdeckungen aus dem Lager oder der Schublade, und ich bin danach nicht nur mit den tollsten und fotogensten Stücken aus dem Laden gegangen, sondern auch mit neuen Inspirationen und viel Lust auf Wohnen. Es freut mich also besonders, dass er das nun in einem eigenen Geschäft weiterführen kann – und dass ich ihn, Facebook sei Dank, wiedergefunden habe und er die Türen zu seinem Traumhaus in Solothurn für uns öffnete.
Das Haus, das Roemmel mit seinem Lebenspartner Beat Kormann bewohnt, hat er vor neun Jahren gefunden. Und zwar ganz prosaisch: Das schöne alte Haus war angeschrieben mit einem «Zu verkaufen»-Schild. Die beiden gingen sofort zur Besichtigung und hatten Glück. «Das Haus wollte uns», sagt Roemmel, «und wahrscheinlich haben die anderen Interessenten ganz einfach das Potenzial des Hauses nicht so erkannt wie wir.» Und tatsächlich brauchte das Haus mit Baujahr 1710 dringend Bewohner, die es lieben und hegen, denn es war über und über mit Teppichen ausgelegt, überstrichen und ein wenig heruntergekommen. Mit viel Eigeneinsatz hat das Paar es zu dem kleinen Juwel hergerichtet, das es heute ist. Sie haben alles selber gestrichen und tapeziert, die Böden freigelegt, und es so wie Dornröschen aus dem Schlaf geweckt.
Beim Einrichten war es den neuen Besitzern wichtig, dem Esprit des Hauses gerecht zu werden. Es musste aber auch Platz geschaffen werden für moderne Möbel, ein bisschen Improvisation und vor allem für viel Wohnlichkeit. So sind verschiedene sehr gemütliche Räume entstanden mit vielen Ecken und Nischen und liebevollen Details. «Wichtig ist die Ausgangssituation», erklärt der Interiorprofi, «jede Wohnung, jedes Haus und jeder Bewohner braucht einen anderen Stil.» Im Erdgeschoss befindet sich ein helles und farblich neutral gehaltenes Wohnzimmer. Die grosse Flügeltüre führt hinaus in den Garten. Die Wände sind in einem warmen Grauton gestrichen, der zu den Naturtönen der Polsterstoffe und dem Holz der antiken Einzelstücke passt.
Eine Wand, nämlich die auf beiden Seiten des Kamins, ist mit einer frühlingshaft verspielten Tapete verkleidet, die den nahen Garten andeutet. In einer der Nischen steht ein kleines, antikes Sitzsofa, das eine gemischte Sammlung von Zierkissen zeigt. Darüber hängt ein Porträt aus dem 18. Jahrhundert, eines der vielen Sammelstücke, die Beat Roemmel auf Auktionen und auf Flohmärkten gefunden hat.
Auch im Erdgeschoss befindet sich eine grosse wohnliche Küche. «Dort, wo der kleine, bescheidene Herd steht, wird irgendwann einmal, wenn wir es uns leisten können, ein gemütlicher Landhausofen sein», erklärt Beat Roemmel, der das schon mal andeutet mit einem weissen Regal, das mit alten Kuchenformen gefüllt ist. «Die Küche ist ein Ort, wo es auch Platz für ein wenig Humor braucht.» Queen Elizabeth II winkt aus der Seifenschale, Torten grüssen auf dem Vorhang. Die Abwaschlappen sind aus handgestrickter Baumwolle. Der Geschirrschrank ist eine Vitrine. Logisch, sonst würde man all das hübsche, weisse Geschirr nicht sehen! Auf dem Fenstersims in der Küche trifft sich Antik mit Kitsch und süssen Leckereien.
Ebenso im Erdgeschoss ist das Esszimmer, welches in warmen Farben und mit einem gewissen bürgerlich-ländlichen Charme eingerichtet wurde.Ein roter Teppich für gemütliche Berner Möbel aus der Zeit von Louis XV. Darüber hängt eine Leuchte aus der Zeit von Napoleon III. «Sie ist das erste richtig gute Fundstück, das wir auf einem Brocante in Frankreich gefunden haben», erinnert sich Beat Roemmel. Karierte Vorhänge, eine streng gemusterte Tapete, deren Farben Mauve und Grau in der Bemalung des Täfers wieder aufgenommen wurden, Porträts von Bürgern aus dem 18. Jahrhundert und eine antike, klassizistische Kommode vervollkommnen die Einrichtung des Esszimmers.
Kommoden sind auch perfekte Entrée-Möbel. So hat Beat Roemmel ein schönes Exemplar im Berner Barock in den Eingang gestellt.
Starkes Ultramarinblau leuchtet von den Wänden. Eigentlich eine untypische Farbe für den Eingangsbereich. Aber zu dem warmen Holz der Treppe, dem dunklen Steinboden und den vielen goldgerahmten Stichen ist es doch der perfekt gewählte Farbton. Er weckt auch auf, bringt einen modernen Aspekt rein und wirkt ganz einfach stark. Das wird noch unterstützt mit der mit pinkfarbenem Samt gepolsterten Bank, auf der bunte Kissen von Designersguild in der ersten Reihe sitzen.
Die Stiche an der Wand zeigen die berühmte St.-Ursen-Kathedrale von Solothurn. Der Künstler Midart war ein frühes Marketinggenie, er hat die Stiche nämlich nur den Aristokraten zum Kauf angeboten, die im Bild auch erkennbar sind. So waren sie ein absolutes Must-have der Solothurner High Society des 18. Jahrhunderts und damals in jedem Patrizierhaus zu sehen. Beat Roemmel hat diese Kostbarkeiten auf einer Auktion gefunden. «Die Bilder gehören einfach in das Haus», meint er. «Nicht zuletzt darum, weil der Architekt dieses Hauses, Gaetano Pisoni, auch der Architekt war, der die Solothurner Kathedrale erschaffen hat.»
Im Treppenhaus hängen Bilder von Schweizer Malern, die Beat Roemmel liebt, sammelt und immer mal wieder durch ein besonderes Fundstück ergänzt. Geht man die steile Holztreppe hinauf, erreicht man zuerst einen Zwischenstock, der in ein sehr charmantes Arbeitslaboratorium verwandelt wurde. Der Raum ist lang und schmal, bietet Sicht auf den Garten und ist ausstaffiert mit eingebautem Tisch, vielen Pflanzen, Kuriositäten aus der Natur, zarten Grün- und Grautönen, Bildern, Büchern und Körben. Die Radiatoren sind geschickt eingekleidet und bieten so auch Ablagefläche für Vasen und Bilder. Liebevolle Details: die kleinen Quasten an den Schlüsseln.
Ins Schlafzimmer werfen wir nur einen kleinen Blick. «Dieses Zimmer wartet noch auf ein richtiges Make-over», erklärt der Hausherr. Der Katze Eugenie Fleur gefällts auch so, der Kater Louis Arnaud gibt sich mit dem Fenstersims zufrieden.
Im oberen Stockwerk befindet sich noch mal ein Wohnzimmer. Dieses zeigt eine geschickte Verbindung von modernen und traditionellen Elementen. Die Farbpalette ist gewagt, aber perfekt. Die Wände sind gestrichen in einem weichen Moosgrün, die Decke in einem hellen Honigton. Das eine Sofa ist in einem Lilaton, welcher in den Dégradéevorhängen aus Leinen wieder aufgenommen wird. Das Holzwerk und die Stuckaturen sind weiss gehalten und vermitteln dem Raum viel Frische.Das schlichte moderne Sofa steht zusammen mit hellen Landhausmöbeln. Zusätzlich zu den Farben sind auch noch Tapeten eingesetzt. Hier hat Beat Roemmel zwei unterschiedliche Muster aus der eklektischen Trompe-l’oeil-Kollektion von Andrew Martin gewählt. Das Bild an der Wand ist ein Porträt der Familie De Meuron aus Bern.
Die zweite Tapete zeigt antike Bücher und das zweite Sofa einen warmen Orangeton. Bogenleuchte und bunte Kerzen, ein weicher Fellteppich und die Lieblingsbücher im schwarzen Schrank sorgen für noch mehr Stimmung und Wohnlichkeit. Ein guter Tipp von Beat Roemmel: «Wenn man von etwas, wie hier zum Beispiel Vasen und Zeitschriften, sehr viel hat, stapelt man sie am besten dicht zusammen auf ein einfaches Regal, so entsteht Ordnung und trotz der Üppigkeit eine ruhige Wirkung.»
Ganz oben, als ein kleiner Traum für sich, hat Beat Roemmel ein Gästezimmer eingerichtet. Der alte Holzboden hat eine starke Geschichte: Der Architekt Gaetano Pisoni hat das Ausschussmaterial «seiner» St.-Ursen-Kathedrale für das Bürgerhaus verwendet, der Boden ist also aus dem gleichen Holz wie das Wahrzeichen Solothurns.