Haus über dem See

Auf der Suche nach einem Ferienhaus in der Schweiz fand das in Los Angeles lebende kreative Paar Simone Ott und Reto Caduff ein Paradies über dem Walensee. Sie verliebten sich in das Haus, das einst ein Künstler erbaut hatte, und wanderten dafür zurück.

Text: Marianne Kohler Nizamuddin  Fotos: Rita Palanikumar

Simone Ott und Reto Caduff lebten beide über lange Zeit in Kalifornien. Simone arbeitet in der Medienbranche, schreibt als Journalistin und entwickelt PR-Konzepte, Reto ist Filmemacher, Regisseur und Fotograf. Längere Aufenthalte für berufliche Projekte brachten die beiden regelmässig zurück in ihre Heimat. Da man nicht acht Wochen lang auf der Couch von Freunden leben kann und Hotels die jeweiligen Budgets sprengten, entschlossen sie sich, nach einem Ferienhaus zu suchen. Ländlich, Berge und Postkartenidylle war der Wunsch für die Location und das Appenzellerland die Region, in der die Suche begann. Als diese erfolglos blieb, steckten Sie einen Zirkel in die Landkarte mit Zentrum Zürich und schauten sich im Umkreis von einer Stunde Entfernung um. So stiessen sie auf dieses Juwel im Glarnerland – einfach so, mitten unter ganz normalen Immobilieninseraten. Die beiden wussten sofort, dass sie einen Schatz entdeckt hatten und alles schnell gehen musste. Da man halt nicht gleich sofort von Los Angeles an die Hausbesichtigung gehen kann, schickten sie einen befreundeten Architekten vorbei. Dieser sendete sofort Hunderte von Fotos und begeisterte Kommentare nach Übersee. Und das Paar hatte Glück: Die Besitzerin hatte das Haus von den Erben des Malers Hans Alder mit der Auflage übernommen, ihm die Seele zu lassen und den künstlerischen Nachlass zu pflegen. So suchte sie denn beim Verkauf nach neuen Bewohnern, die dieses Vermächtnis weiterführen. Das Paar mit den kreativen Berufen hatte somit einen Vorteil gegenüber Bankern und anderen Interessenten. Sie übernahmen mit dem Haus den gesamten Nachlass, gaben ihm eine respektvolle Renovation und neues Leben.

Beide finden, dass das Haus viel davon braucht, vom Leben, und öffnen es gerne und oft für Freunde. Simone erklärt lachend: «Einige unserer Freunde aus Zürich haben es zwar noch nie hierher geschafft, dafür kommen aber alle aus Los Angeles regelmässig.» Für die beiden ist es hier, mitten auf dem Land, nicht so ganz anders als in Los Angeles. Dort haben sie auch im Grünen gewohnt, erzählt Simone. Sie hatten einen Garten, ein Berg war hinter dem Haus, überhaupt viel Natur. «Egal, wo man in Los Angeles wohnt, jede Fahrt ist dort eine grössere Reise! So ist der Weg nach Zürich für uns eigentlich keiner und die Distanz zu unserem Wohnort ganz selbstverständlich. Wir spürten hier weniger den Kulturschock, als wenn wir mitten nach Zürich gezogen wären.»

Der Umzug von der Stadt der Engel in die Glarner Alpen war ein grösseres Unternehmen und fand vor dreieinhalb Jahren statt. Da sie wussten, dass in der Schweiz ein grosses Haus auf sie wartet, gingen sie gleich noch ein wenig auf Einkaufstour. Dabei war Reto der grosse Sucher und Finder. Er hat zum Beispiel auf Ebay die tolle Sitzgruppe von Robert Hausmann gefunden, die mit sandfarbenem Samt bezogen ist. Dafür reiste er dann mit dem Truck nach San Francisco. «Es hat sich gelohnt, denn in Amerika gibt es solche exklusiven Fundstücke noch zu niedrigen Preisen, die Leute wissen oft gar nicht, was sie haben», erklärt Reto.

Im Haus ist der grosse Raum, der einst das Maleratelier war, nun der Ort zum Wohnen, Essen und Sein. Manchmal werden die Möbel weggestellt und er wird wieder zu einem Studio. Reto ist nämlich auch Fotobuchverleger, und für die Bildauswahl und Layoutabfolge von neuen Büchern wird eine grosse Auslage gemacht. Auch Foto- und Filmshootings finden hier ab und zu statt, und dann sind natürlich die Feste mit Freunden. «Wir teilen das Haus, so oft es geht. Denn wir finden, dass es dazu gemacht ist. Wir haben den Platz für eine Tavolata, an der zwanzig Freunde um einen Tisch sitzen können, also machen wir das auch, das Haus inspiriert einfach zum Arbeiten und zum Zusammensein», sagen Reto und Simone. «Wir haben nicht nach einem genauen Konzept eingerichtet», beantwortet Simone meine Frage danach. «Die Proportionen waren uns wichtig, die Farben und die Benutzung der Möbel. Wir lieben und liebten schon immer echte Vintagemöbel und Accessoires mit Geschichte. Auch mögen wir Stilbrüche, die machen nämlich Wohnen und Einrichten menschlich und persönlich.»

Die Küche war ursprünglich in der oberen Etage, und der Platz, an dem sie heute steht, war der Kohlenkeller. Die Renovation hat sich gelohnt. So befinden sich im Parterre die «öffentlichen» Räume, die Wohnen, Essen und Kochen beinhalten. Simone, die sich um das Konzept der Küche kümmerte, wählte eine italienische Inox-Küche, «ganz ohne Schränkchen darüber!», wie sie sagt. «Ich wollte, dass dem Alten etwas Neues, Klares gegenübersteht, und ich brauche auch eine praktische, einfach zu bedienende Küche.» Simones grosses neues Abenteuer ist nämlich die Produktion und der Verkauf von Mandelmilch. Diese schmeckt auch dank dem Quellwasser, von dem das Haus gespiesen wird, hervorragend. Vor der Küche steht ein mit Gläsern und Kochbüchern gefülltes Holzbuffet, das noch aus dem Haushalt von Hans Alder stammt.

Beim Öffnen der grossen Glastüren, die hinaus in den Garten führen, scheint es so, als ob die ganze, wunderschöne Landschaft ins Haus ziehen würde. Hinein- und hinausspazieren tun hier auch oft und gerne die beiden wichtigen, aber auf unseren Fotos nicht sichtbaren Mitbewohner, die Katzen Wayne und Kira, die den Umzug von L.A. in die Schweiz mitgemacht haben. Wayne, der coole Kater, ist Herr der Berge geworden, während Kira mit ihren Allüren dafür sorgt, dass Hollywood auch im Glarnerland weiterlebt. Die grossen Fenster und Türen machen aus der Landschaft und der Natur Bilder, die sich im Licht und mit den wechselnden Jahreszeiten immer wieder anders zeigen.Bilder, auch solche in Büchern, sind ein wichtiger Bestandteil des Hauses und des Lebens beider Besitzer. Reto Caduff, selber Fotograf, Filmemacher und Fotobuchverleger, hat natürlich eine entsprechende Bibliothek. Die wunderschönen Töpfereien auf dem Regal sind Fundstücke von einem Flohmarkt in Kalifornien, die Reto für ein paar Dollars ergattern konnte.

Jede Nische im Haus bietet ein Stückchen Wohnlichkeit und überall sind schöne Stillleben mit Objekten und Kunst zu entdecken. Im Obergeschoss befinden sich die Schlafzimmer. Sie sind alle mit einem alten Täfer versehen, das in einem warmen Grauton gestrichen wurde. Dieses Gästebett bedeckt ein farbiges, typisch amerikanisches «Golden Dawn Blanket» Bilder von Hans Alder sind gekonnt und liebevoll in die Einrichtung integriert.

Im Badezimmer spielen schokoladefarbene Metrokacheln mit dem Mauerwerk und demselben grauen Farbton, der auch an den Schlafzimmerwänden zu finden ist. Auch hier ein passendes Gemälde von Hans Alder. «Natürlich haben wir die schönen alten sanitären Anlagen behalten», schwärmt das Paar, «einige, nämlich Wasserkrüge und Hafen, sind natürlich nur noch Dekoobjekte!»

Retos Arbeitszimmer befindet sich in der obersten Etage und zeigt eine amerikanisch-schweizerische Freundschaft mit USM-Regal, Flagge und natürlich vielen Foto- und Filmbüchern. Eine Wand ist ein persönliches Moodboard, das eigene Werke, Einladungen, Artikel und persönliche Erinnerungen zeigt.

Der neuste Raum auf dem Anwesen ist ein kleines, umgebautes Reduit, das die beiden an dem Ort gebaut haben, der den allerschönsten Ausblick bietet. «Hier wird total entspannt», erklärt Simone. «Kein Handy, kein Internet, nur Ruhe und Schönheit und genügend Platz für eine Yogamatte!» Eine schlichte Liege ist mit einer folkloristischen Decke bedeckt, daneben ein Ablagetisch für Bücher und Zeitschriften. Die Wände sind geschmückt mit Bildern und Fotos, die zum Nachlass des Künstlers gehören. Derr schöne, nordische Ledersessel ist ein «Mitbringsel» aus Los Angeles. Der schönste Platz, um die Abendsonne zu geniessen ist auf dem Rattanbänkli mit passendem Tisch, beides auf einem edlen Webteppich.

Dass sie einst eine solch dramatisch schöne Aussicht auf den Walensee, die Berge und das Glarnerland täglich geniessen können, haben sich die beiden zu Beginn der Suche nach einem Heim in der Schweiz nicht träumen lassen! Doch Wohnträume können wahr werden – das erzählt die Geschichte von Simone Ott und Reto Caduff.

Die Websites von Simone Ott und Reto Caduff: 
Buchverlag: sturmanddrang.net
Mandelmilch: alderglarus.ch